Red Dot Design Award – Warum werben so viele Hersteller damit?

Der Red Dot Design Award ist ein aus Deutschland stammender und schon seit Jahrzehnten etablierter Preis. Der internationale Name „Red Dot“ entstand zwar erst zu Beginn des Jahrtausends, der Preis für die Auszeichnung von besonderen Designs geht aber auf die 1950er Jahre zurück. Mit der Zeit konnten viele große und auch kleinere Unternehmen sowie einzelne Designer/innen ihre Produkte, Konzepte und Marken mit dem roten Punkt zieren. Doch warum sind es so viele? Und warum sollte man sich nicht an der Auszeichnung orientieren?

CEO Peter Zec auf der Bühne des Essener Opernhauses im Rahmen der Red Dot Gala 2023. Wie mannigfach der Designpreis verliehen und wie das ganze finanziert wird, das lest ihr hier. Bildquelle: Pressemitteilung auf red-dot.org
CEO Peter Zec auf der Bühne des Essener Opernhauses im Rahmen der Red Dot Gala 2023. Wie mannigfach der Designpreis verliehen und wie das ganze finanziert wird, das lest ihr hier. Bildquelle: Pressemitteilung auf red-dot.org

Abzeichen einkaufen: Red Dot Design Award basiert auf (teuren) Bewerbungen

Mit der Etablierung des Red Dot Awards gelang es Peter Zec [CEO von Red Dot, Anm.], aus einer Auszeichnung für gutes Design eine internationale Marke zu entwickeln“, heißt es ganz ehrlich in einer Pressemitteilung des Unternehmens, die bereits am 19. Dezember 2019 herausgegeben wurde. Dass die Marke nicht nur international, sondern damit auch besonders rentabel ist, zeigen die Kosten, die mit der Bewerbung für den Red Dot Design Award einhergehen.

Denn ausgezeichnete Designer/innen, Teams, Unternehmen und Agenturen bekommen kein Preisgeld. Sie müssen im Vorfeld sowie nach der Auszeichnung selber ordentlich in die Tasche greifen. Schauen wir uns zur Veranschaulichung mal die aktuellen Gebühren für die Registrierung an. Will man in 2024 einen Red Dot Design Award gewinnen und damit das eigene Produkt, Design, Konzept oder was auch immer verzieren, dann gibt es diese Staffelung an Bewerbungsgebühren:

  • „Early Bird“ vom 4. bis 29. September 2023: 450 Euro
  • „Regular“ vom 30. September bis 15. Dezember 2023: 650 Euro
  • „Latecomer“ vom 16. Dezember 2023 bis 12. Januar 2023: 850 Euro

Für die Kategorien „Smart Products“ und „Innovative Products“ muss jeweils noch eine zweite Registrierung ausgefüllt werden – natürlich einhergehend mit einer zweiten Gebühr in gleicher Höhe. Außerdem darf das Produkt nicht allzu groß sein. Nimmt es mehr als 3 m² ein, dann werden zusätzlich 700 Euro zzgl. Mehrwertsteuer / VAT fällig.

Will man also beispielsweise ein Auto als smartes oder innovatives Produkt einreichen und ist damit spät dran, dann zahlt man allein für die Bewerbung schonmal 2.400 Euro. Ein Gewinn ist damit nicht gesichert, und ein Werben mit dem Red Dot schon gar nicht. Denn das kostet, falls man von der Jury auserkoren wird, nochmal extra.

Mit dem Red Dot werben: Hohe Kosten für Bewerbung des eigenen Produkts

Ab weiteren 4.900 Euro darf man aktuell das ausgezeichnete Produkt über dessen Lebenszyklus hinweg mit dem Red Dot Winner Label bewerben. Enthalten sind außerdem zwei Red Dot Zertifikate für das Produkt in A4-Größe. Weiterhin wird das Produkt im Red Dot Design Yearbook abgebildet, standardmäßig auf einer Drittelseite.

Von der Red Dot GmbH & Co. KG ausgestellt wird das ausgezeichnete Produkt, wenn man die mindestens 4.900 Euro zahlt, zudem auf der eigenen Webseite und als tatsächliches Produkt in internationalen Ausstellungen – z. B. im Red Dot Design Museum Essen. Große Produkte mit mehr Platzbedarf kosten extra. Bei zu großen Produkten behält man sich vor, lediglich ein Video oder Poster zu zeigen.

Aber die Kosten ab 4.900 Euro sind nur der Anfang. Natürlich kann man sich auch noch ein bisschen mehr Red-Dot-Glamour kaufen. Für einen Preis ab 7.500 Euro erhält man nämlich das „Premium“-Paket. Erst damit bekommt man die Trophäe auch wirklich händisch verliehen, die Zertifikate wachsen auf A3-Format an und im Yearbook bekommt man eine Doppelseite spendiert.

Die Präsentation des Produkts auf der Webseite ist ebenfalls enthalten. Für die Ausstellung als tatsächliches Produkt gelten die gleichen Bedingungen wie beim günstigeren Gewinnpaket. Denn auch hier können zusätzliche Kosten für große Produkte und deren Stellfläche anfallen. Zu große Produkte werden als Video oder Poster gezeigt. In 2023 gewann die Feldspritze „AMAZONE Pantera 7004“ mit 36 Meter Spannweite einen Red Dot. Die Kosten für die Ausstellung vor dem Museum in Essen sind nicht bekannt.

Premium-Werbung für ein spät eingereichtes Smart-Produkt kostet 9.200 Euro

Gehen wir also mal von einer späten Bewerbung für ein „smartes“ oder „innovatives“ Produkt aus, das im Yearbook 2024/25 eine Doppelseite belegen und mit einem händisch übergebenen Preis beworben werden soll. Dann sind wir bei zweimal 850 Euro für die Registrierungen (also 1.700 Euro) sowie den Gewinn-, Verwendungs- und Ausstellungskosten ab 7.500 Euro bei insgesamt mindestens 9.200 Euro Kosten. Ist es recht groß, sind wir bei mindestens 9.900 Euro.

Welche Design-Preise kann man sich noch kaufen?

Bei der Recherche zum Thema bin ich auf ein interessantes Video gestoßen. Auf ihren Kanal „Product DesignTube“ erklärt Sati Taschiba, ihres Zeichens Senior Designer bei Indeed, wie sie sich in 2020 mit nur einem Design innerhalb von acht Monaten für elf Wettbewerbe in insgesamt 26 Kategorien beworben hat. Dabei hat sie den Red Dot Design Award nebst 24 anderen Auszeichnungen gewonnen. Sie schlüsselt dabei die Kosten für die Bewerbungen und erhaltenen Preise auf. Bei einigen Awards musste sie die Trophäen nach dem Gewinnzuspruch aus einem Shop kaufen.

Masse statt Klasse: Red Dot seit 2011 über 32.800 Mal verteilt

Schaut man auf der Red Dot Webseite in die Gewinn-Übersicht, dann erfährt man, dass seit einschließlich 2011 bisher 21.377 Mal ein Gewinn im Bereich „Product Design“ ausgesprochen wurde, dass im Bereich „Brands & Communication Design“ insgesamt 9.121 Preise verteilt wurden, und dass im Bereich „Design Concept“ seither 2.338 Gewinner/innen zu finden sind. 

Gehen wir allein für diese 32.836 erfolgreichen Bewerbungen mal von der aktuell niedrigsten Bewerbungsgebühr (450 Euro) und den geringsten Lizenzgebühren für das Label (4.900 Euro) aus, dann sind wir bei Einnahmen von 175.672.600 Euro. Das sind im jährlichen Durchschnitt mehr als 13,5 Millionen Euro.

Natürlichen kosten die Events, bei denen die Preise verliehen werden, die Herstellung der haptischen Preise, die Zertifikate, die Yearbooks, die mit allen entsprechenden Aufgaben beschäftigten Leute und das ganze andere Drumherum Geld. Immerhin muss die Maschine am Laufen gehalten, die Kommunikation mit den zigtausenden Bewerber/innen ermöglicht und die Chefetage ordentlich bezahlt werden. 

Ob sich das Museum in Essen bei einem Eintrittspreis von 9 Euro (4 Euro vergünstigt, 20 Euro Familienkarte und freitags Pay-What-You-Want-Preis) selber trägt, das kann ich nicht einschätzen. Aber die Einzahlungen von den ausgestellten Unternehmen und Designer/innen helfen bestimmt ein bisschen. Wobei sie auf jeden Fall geholfen haben, ist, „aus einer Auszeichnung für gutes Design eine internationale Marke zu entwickeln.

Einnahmen sind wahrscheinlich viel höher als in der Beispielrechnung

In der obigen Beispielrechnung bin ich nicht nur auf die geringsten Kosten (nach aktueller Kostenübersicht für den Red Dot Design Award 2024) eingegangen, sondern auch nur auf die Unternehmen und Produkte, die gewonnen haben. Geht man davon aus, dass sich fünfmal mehr bewerben als letztlich ausgezeichnet werden, dann sorgen die zusätzlichen Bewerbungskosten nochmal für höhere Einnahmen.

Wie aber schon beschrieben, so halten diese natürlich auch eine große Maschine am laufen. Neben der Red Dot GmbH & Co. KG gibt es laut „North Data“ auch noch Verwaltungs-GmbHs für die Holding, die Institute und Red Dot selbst. Ein interessantes Netzwerk. Die Unternehmensbilanz der Red Dot GmbH & Co. KG soll in 2022 zudem bei rund 5,9 Millionen Euro gelegen haben. Es scheint also ordentliche Ausgaben (und Gehälter) zu geben.

Relevanz des Red Dot: Außerhalb der Branche nicht wirklich vorhanden

Wenn ein Produkt von seinem Hersteller mit dem Red Dot beworben wird, dann sagt dies also nicht aus, dass eine unabhängige Jury ohne weiteres Zutun des Unternehmens dessen Produkt begutachtet und bewertet hat. Im Gegenteil – das Unternehmen muss aktiv eine kostenpflichtige Bewerbung einreichen, darauf hoffen, dass das Produkt aus den zigtausenden Bewerbungen ausgewählt und ausgezeichnet wird sowie abschließend für die Verwendung von Name und Label des Red Dot Design Awards auch nochmal ordentlich blechen.

Damit wird innerhalb der Branche gezeigt, wie viel (oder bei großen Konzernen: wie vergleichsweise wenig) man für das Label und die Ausstellung durch die Red Dot GmbH & Co. KG zu zahlen bereit ist. Man landet aber im Yearbook und darf weniger informierten Leuten in der eigenen Zielgruppe einen Preis präsentieren, zu dessen Hintergründen wahrscheinlich wenig bekannt ist. Er ist aber nichts weiter als eine weitere Marke, die der eigenen aufgedrückt wird. Für Kund/innen hat diese nicht wirklich eine Bedeutung. Nur dann, wenn man sich davon blenden lässt.

In einer nicht mehr auf der Red-Dot-Webseite auffindbaren Pressemitteilung soll CEO Peter Zec – laut einem Artikel von Alan Posener in der „Welt“ – zur 2020er Preisverleihung folgendermaßen zitiert worden sein: „Dass uns auch in diesem Jahr eine so große Zahl an qualitativ hochwertigen Arbeiten erreicht hat, macht deutlich, welche Relevanz der Red Dot Award für Unternehmen, Designer und Agenturen auf der ganzen Welt hat.

Für Verbraucher/innen haben der Red Dot und andere Designauszeichnungen dieser Art eigentlich nur Relevanz, wenn man nicht weiß, wie die Zuteilung derselben eigentlich vonstatten geht. Sicher kann man im Essener Museum über die toll designten und ausgezeichneten Produkte staunen. Der Preis für die Ausstellung steht aber wahrscheinlich nicht auf dem Erklärzettel des angeschauten Produkts. Interessant ist übrigens auch, wie viele Apple-Produkte sich dort tummeln.

Red Dot Design Award: Gutes Design und gutes Marketingbudget

Es soll nicht komplett unerwähnt bleiben, dass natürlich eine mehrköpfige Jury die einzelnen Einreichungen begutachtet und dann die ihrer Meinung nach besten auswählt. Neben gutem Design spielt da aber sicher auch eine zu erfüllende Quote eine Rolle.

Die besten Bewerber/innen bekommen dann den Preis und dürfen dafür bezahlen. Neben einem entsprechenden Marketingbudget ist also weiterhin auch ein mehr oder minder überzeugendes Design nötig, um mitspielen zu dürfen. Dennoch ist ein eingekaufter Preis nicht umfassend als Qualitätssiegel zu verstehen.

Er ist vielmehr Ausdruck eines gewissen Marktstandpunkts bzw. Ausdruck dessen, dass bestimmte Personen oder Teams sich ein bisschen Anerkennung in der Branche einkaufen wollen. So viel zu dem roten Punkt, der einem in Verbindung mit tausenden Produkten als Auszeichnung vorgezeigt wird und am Markt aufgrund seiner inflationären Nutzung eigentlich längst an Bedeutung verloren hat.

Weitere Informationen und Quellen

  • Zitierte Pressemitteilung von 2019: Hier
  • Aktuelle Bewerbungs- und Gewinngebühren (2023/2024): Hier
  • Gewinn-Übersicht mit Kategorie- und Jahresfilter: Hier
  • Erwähnter Welt-Artikel von 2020: Hier
  • North Data Webseite mit Unternehmenszahlen: Hier

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