E-Commerce-Zölle: Werden Internet-Dienste bald mit Steuern belegt?

Seit 1998 gibt es dank einer alle paar Jahre erneuerten Übereinkunft innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) eine Steuerfreiheit für Internet-Dienste. Wir Nutzer/innen profitieren unter anderem beim Streamen von Filmen, Serien und Musik davon. Aber auch beim Download von Software und eBooks sowie der Nutzung von Cloud-Speichern. Nicht zuletzt sind Web-Werkzeuge damit attraktiver, egal ob für Bildbearbeitung oder Zoom-Call. Diese Steuer- bzw. Zollfreiheit auf E-Commerce-Angebote wird kommende Woche bei der 13. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation neu diskutiert, denn das aktuelle Moratorium läuft im März aus. Einige Staaten kündigen an, es nicht verlängern zu wollen.

Steuern auf Streaming, Web-Tools, Software, Cloud-Dienste, Gaming und mehr – einige Länder in der Welthandelsorganisation (WTO) sprechen sich für E-Commerce-Zölle aus. Das würde ein seit 1998 bestehendes Moratorium für diesen Bereich beenden.
Steuern auf Streaming, Web-Tools, Software, Cloud-Dienste, Gaming und mehr – einige Länder in der Welthandelsorganisation (WTO) sprechen sich für E-Commerce-Zölle aus. Das würde ein seit 1998 bestehendes Moratorium für diesen Bereich beenden.

WTO-Treffen in Abu Dhabi: E-Commerce-Zölle als Diskussionspunkt

Entscheidungen innerhalb der WTO müssen einstimmig getroffen werden, weshalb nur eine Gegenstimme eine Abstimmung aufhalten kann. Und so könnte es hinsichtlich des Zoll-Moratoriums für Internet-Dienstleistungen und Online-Produkte auch kommen. Laut Bloomberg sollen mindestens drei große Entwicklungsländer etwas gegen die Weiterführung der bisherigen Regelung haben.

Vor allem die Sorge vor Big-Tech-Unternehmen aus den USA und anderen führenden Ländern mit einem solchen Wirtschaftszweig soll die Ablehnung des Status quo befeuern. Neue Angebote, wie etwa künstliche Intelligenz, zu denen man schlecht aufholen kann, spielen dabei eine Rolle.

John Denton, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer (ICC), nannte Indonesien, Südafrika und Indien als drei der größten Gegenstimmen hinsichtlich der Erneuerung einer E-Commerce-Zollfreiheit. Bloomberg hat in allen drei Ländern angefragt und zumindest von den Handels- bzw. Finanzministerien von Indonesien und Indien eine Antwort bekommen.

Beide vertreten die Meinung, dass Zölle ein Mittel seien, auf den schnellen Wandel in der digitalen Welt zu reagieren. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass es auch schon in der Vergangenheit zu ähnlichen Aussagen kam. Dabei wurde eine mögliche Gegenstimme im Fall der E-Commerce-Freiheit als Druckmittel für Zugeständnisse in anderen Bereichen genutzt. So könnte es auch dieses Mal wieder sein.

Kein internationaler Definitions- oder Rechtsrahmen für E-Commerce

Für den digitalen Handel, für das Angebot von Streaming, Social-Media-Apps, Web-Tools und dergleichen gibt es keinen Staaten übergreifenden Rechtsrahmen. Es gibt zudem keine genaue, internationale Definition für die Gesamtheit der verschiedenen Angebote. Deshalb ist es schwer zu sagen, wie eine Besteuerung bzw. ein Zoll-Modell für diesen Wirtschaftszweig aussehen könnte. 

Es ist daher mehr als unklar, was und in welcher Höhe abgerechnet werden soll – die Datenmenge in Bits und Bytes, die Anzahl der Verbindungen zum Server, einzelne Inhalte wie Software, Filme und Songs? Zudem könnten keine großen Beträge abgerufen werden, gerade in Ländern mit geringem Einkommen. Denn sonst würde die Nutzung ausländischer Internetdienste komplett unattraktiv werden und die erhoffte Einnahmequelle direkt ins Nichts schrumpfen.

Laut dem verlinkten Bloomberg-Bericht sollen die potenziellen Einnahmen durch Steuern auf die Nutzung von E-Commerce-Produkten vergleichsweise gering sein. Dazu werden die Ergebnisse einer Studie der Organization for Economic Cooperation and Development herangezogen. Laut dieser würde eine solche Verzollung die Staatseinnahmen um 0,1% erhöhen – wohlgemerkt aber nur, wenn die Angebotsnutzung gleich bleibt und nicht durch die Änderung abnimmt.

Ob und in welchem Maß ein Staat also durch die Aufhebung des Jahrzehnte aufrecht erhaltenen Moratoriums profitieren würde, lässt sich nicht so einfach sagen. Es lässt sich auf der User-Seite nur hoffen, dass die bisher möglichen Gegenstimmen nur ein Bluff sind, um den jeweiligen Ländern in anderen Bereichen der WTO-Verhandlungen einen Hebel zu verschaffen. Forderungen zur Umkehr und Warnungen vor nicht absehbaren Folgen gibt es derweilen schon reichlich.

Ungleiche Chancen machen Übereinkünfte sehr schwierig

Über 180 Wirtschaftsverbände aus verschiedenen Ländern sprechen sich in einem offenen Brief für den Erhalt des Status quo aus. Darin wird erklärt, dass die Staaten, welche Zölle auf Online-Dienstleistungen und -Produkte erheben, sich auf lange Sicht selbst schaden. Auch im Hinblick auf mögliche Investitionen in die einheimische Tech-Branche oder ähnliche Wirtschaftszweige. Allerdings ist das theoretische Konzept vom Grundgedanken her verständlich.

Denn die Ungleichheiten in diesem Bereich wachsen stetig. Das fing zwar schon zu Beginn der breitflächigen Internetnutzung Ende der 1990er an, zeigt sich heute aber umso mehr in verschiedenen Angeboten – Streaming, Handel, KI und mehr. Die größte Konkurrenz kommt dabei in so ziemlich allen Bereichen aus nur einem Land, den USA. Um diesem nicht komplett einen Riegel vorschieben zu müssen, könnte der Import für die Anbieter-Unternehmen bzw. der Konsum durch die User besteuert werden. Wie gesagt, ein in der Theorie nachvollziehbarer Gedanke.

„Es wird für Staaten und Unternehmen immer wichtiger, sich auf den digitalen Handel einzustellen”, sagt laut Bloomberg Torbjörn Fredriksson, Leiter der E-Commerce-Gruppe der United Nations Conference on Trade and Development. „Leider übersteigt das rasante Tempo der Digitalisierung die Fähigkeit vieler Länder, dies zu tun.“ Aufgrund fehlender Strukturen für den Digitalisierungs- und E-Commerce-Ausbau wurden viele Länder gerade während der Covid-Pandemie abgehängt.

„Es ist eine schlechte Zeit für den Multilateralismus“, meint laut der gleichen Quelle Martina Ferracane, ihrerseits Forschungsstipendiatin am Europäischen Hochschulinstitut, welches kürzlich eine digitale Handelsdatenbank ins Leben gerufen hat. „Es ist nicht der Moment, in dem Länder bereit sind, einen neuen globalen Konsens über fast alles zu schaffen.“ Doch was passiert, wenn dieser Konsens nicht geschaffen wird? Wie kaputt kann das Internet, wie wir es kennen, gemacht werden? Das bleibt wohl abzuwarten.

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