Virtual und Augmented Reality in der Kunst sowie anderswo – ein Gastbeitrag von Johannes Domke

Silvia Grav mit VR-Brille

Wer mich kennt und diesen Blog schon ein bisschen länger verfolgt, der weiß, dass ich mich immer für neue Technologien und deren Anwendung im Alltag sowie auch bei speziellen Gelegenheiten interessiere. Wenn dann auch noch Apple-Produkte dabei zum Einsatz kommen, dann ist das ein super Grund, um darüber einen Artikel zu verfassen. Da ich nicht selbst bei der in diesem Eintrag beschriebenen Ausstellungseröffnung von Silvia Grav dabei war, bei der auch Virtual Reality und Augmented Reality eine Rolle spielten, möchte ich an dieser Stelle einmal das Wort dem Kollegen Johannes Domke überlassen.

Eine Apple-affine Künstlerin aus Spanien mit neuer Kunst in Portugal

Am 14. Mai 2016, um 16:00 Uhr Ortszeit, wurde in der Galeria Red Nankim in Porto die neue Solo-Ausstellung der Künstlerin Silvia Grav eröffnet. Die Ausstellung trägt den Titel this is not here., was schon stark auf die begleitenden Themen hindeutet, welche über den in monochromer Farbgestaltung gehaltenen Werken mitschwingen: Virtuelle und Erweiterte Realität bzw. Virtual Reality und Augmented Reality. Oder machen wir es kurz: neben bearbeiteten Fotos gab es auch VR und AR.

Ankündigung der Ausstellung im 360°-Video
Die Ankündigung der Ausstellung „this is not here.“ im 360°-Video.

Die Ausstellung kann noch rund einen Monat besucht werden. Die Galerie, welche sehr unscheinbar in der Avenida Vímara Peres 50 versteckt ist, befindet sich rechts der Touristeninformation und links der berühmten Brücke Ponte de Dom Luís I. Von 15:00 Uhr bis 19:00 Uhr können neben groß- und kleinformatigen Kunstwerken mit emotionalem Anspruch auch moderne und App-lastige Machwerke von Silvia Grav bewundert werden. Die Künstlerin selbst, geboren 1993 und schon mehrfach international tätig gewesen, war zur Eröffnung auch zugegen.

So kann man die Virtuelle Realität von Silvia Grav bewundern

Mitzubringen ist, wenn man die Ausstellung im vollen Umfang erleben möchte, ein Smartphone und ein bisschen Zeit. Wer letztere sparen möchte, der sollte sich schon zuvor aus dem App Store sowohl die YouTube-App in360Tube und die AR-App Aurasma herunterladen. Das geht aber auch vor Ort, denn die Galerie bietet kostenlos WLAN an. Nach dem Passwort muss allerdings gefragt werden. Falls die Verbindung zu langsam ist: Genau gegenüber gibt es einen Imbiss, der ebenfalls WLAN anbietet – im Grunde gibt es in ganz Porto WLAN.

Und da sind wir auch schon beim Thema: die Gesellschaft ist digital geworden. Es ist kaum noch ein Prozess, sondern vielmehr schon das Ergebnis daraus. Und so ist auch die Kunst heute nicht mehr nur bemaltes oder bedrucktes Papier, behauener Stein oder geblasenes Glas. Auch die jungen Künstler/innen wie Silvia Grav sorgen dafür, dass in der Kultur genauso ein Wandel passiert wie er auch im Rest der Gesellschaft vonstattengeht. Beispielweise kann man mit der App Aurasma seine Smartphone-Kamera auf ein Kunstwerk der Ausstellung richten und bekommt daraufhin das originale, unbearbeitete Foto auf dem Display zu sehen – und dieses bewegt sich mit einem mit.

Silvia Grav mit VR-Brille
Die Künstlerin Silvia Grav mit VR-Brille.

Mit der App in360Tube muss ein bisschen mehr Aufwand betrieben werden. Es stehen in der Galeria Red Nankim zwei VR-Brillen und dazu jeweils einmal Kopfhörer zur Verfügung. In die Brille setzt man sein Smartphone ein (es passen verschiedene Größen), startet die App sowie das herausgesuchte Video (die benötigten Suchbegriffe gibt ein Informationsblatt her), schließt das VR-Werkzeug, setzt es nebst den Kopfhörern auf und entdeckt Kunst auf ganz neue Weise. Das fertige Kunstwerk setzt sich nach und nach zusammen. Man muss um sich schauen, um es in Gänze zu erfahren – und erst nach einiger Zeit ist es komplett.

Welche Möglichkeiten ergeben sich für Künstler und Betrachter?

Silvia Grav ist eine Vorreiterin im Hinblick auf diese neue Art von Kunst. Neben dem fertigen Kunstwerk präsentiert sie im Rahmen der neuen Ausstellung this is not here. innovative Möglichkeiten, sich mitzuteilen und auch wahrgenommen zu werden. Soll heißen: der Arbeitsprozess und die Entstehungsgeschichte hinter einem Bild oder einer Collage werden besser ersichtlich. Sowohl grafisch als auch intellektuell sind neue Ebenen erreichbar – schon allein, weil vieles in Photoshop entsteht und die Ebenen im fertigen 360°-Grad-Video also auch als solche verstanden werden können.

Wird die Kunst damit entzaubert? Nicht wirklich, denn auch wenn durch das originale (und zugegeben: unspektakuläre) Foto, das einem Kunstwerk zugrunde liegt und das man per AR einsehen kann, die emotionale Ebene kurzweilig genommen wird oder auch wenn durch die 360°-Ansicht nicht das Werk im Ganzen zu sehen ist, so wird hier doch intellektuell eine gänzlich neue Ebene geschaffen. Der Einsatz der Künstlerin, die meist sich selbst als Modell nimmt, wird vermittelt. Das Handwerk, das auch in der digitalen Bearbeitung von Bildern steckt, wird begreiflich gemacht. Auch kann das angezeigte Original als Blickwinkel des Beobachters verstanden und das Kunstwerk als Ausdruck der Beobachteten gesehen werden. Im gleichem Moment werden also zwei Blickwinkel aufgezeigt.

Ein Interview mit Silvia Grav; von Johannes Domke und exklusiv für Sir-Apfelot.de

An welchem Punkt in deinem Leben hast du beschlossen, Künstlerin zu werden – oder entstand das natürlich als Entwicklung aus einem anderen Hobby bzw. Interessengebiet?

Silvia: So lange ich mich zurückerinnern kann, konnte ich schon immer recht gut zeichnen. Ich schätze, dass das, und die Kunst, anscheinend nichts Langweiliges sind, auch wenn ich es den Rest meines Lebens mache.

Warst du schon immer an Technologie und deren Möglichkeiten in der Kunst interessiert?

Silvia: Gewissermaßen. Das Ding ist, dass ich bis vor gar nicht langer Zeit noch nicht die Ressourcen und den offenen Geist hatte, um mir die Möglichkeiten vorzustellen, die ich jetzt sehe.

Wann hast du dich dazu entschieden, Virtual Reality und Augmented Reality in deiner Kunst zu nutzen?

Silvia: Vor ein paar Monaten habe ich einen Film in einer VR Vorstellung auf einer Party in Los Angeles gesehen, und ich war fasziniert. Ich kannte bereits die Möglichkeiten der Virtuellen Realität, aber bis zu dieser Party wusste ich nicht, wie einfach und erschwinglich VR mit Smartphones ist.

Ich habe gesehen, dass du mit Apple-Produkten arbeitest. Warum dies – hast du sie als am besten geeignet für deine Arbeit empfunden, nachdem du verschiedene Systeme ausprobiert hast, oder nutzt du sie rein aus Intuition?

Silvia: Ich habe nicht viel Geduld und auch nicht so viel Zeit; und nachdem ich einen PC hatte sowie im Anschluss einen Mac ausprobiert habe, konnte ich einfach nicht mehr zurück. Ich weiß nicht wirklich, ob sie besser oder schlechter für andere Sachen sind, aber in drei Jahren Non-Stop-Arbeit mit meinem Laptop [MacBook] hatte ich nie ein Problem.

Welche anderen Möglichkeiten siehst du in VR und AR? Vielleicht kannst du mir etwas über die kommende Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus diesem Bereich erzählen?

Silvia: Das Schöne ist, dass ich mich wie ein Kind fühle und jede Minute etwas Neues dazulerne. Ich habe noch keine Ahnung, wie die Kollaboration ausgehen wird, aber es wird etwas mit Experimenten zur Wahrnehmung zu tun haben.

Siehst du die neurowissenschaftliche Chancen der VR und AR hauptsächlich in der Kunst (und vielleicht im Gaming-Bereich) oder auch wo anders?

Silvia: Ich sehe überall Möglichkeiten: die wichtigste ist Bildung. Auch für viele Krankheiten, für die Behandlung von Traumata, Depressionen, sozialen Problemen… Die emotionale Intelligenz ist für mich einer der interessantesten Bereiche. Speziell die Empathie. Es gibt da ein wunderbares Projekt mit Namen „The Machine“, welches ein weiteres Experiment zur Empathie mit VR darstellt. Ich kann es nur empfehlen.

Erzähl mir bitte etwas über die Ausstellung in Porto, Portugal, welche am 14. Mai 2016 eröffnet wurde. Wie lange hast du an der Idee und der Ausstellung an sich gearbeitet?

Silvia: Die Ausstellung an sich war ein Spiel, das mir ermöglichte, mit den Möglichkeiten der VR herumzuspielen. Ich habe sowas vorher noch nie gemacht, also hatte es schon eine Weile gedauert, über die neuen Wege nachzudenken, wie ich Dinge ausdrücken will. Also habe ich auch nichts davon erwartet, ich habe eine Ausstellung zusammengestellt, die für sich selbst funktioniert (ohne die VR) und habe einfach ein paar Dinge hinzugefügt, die ich aktuell ausprobiert habe.

Wie hast du die Galerie für die Ausstellung gefunden, haben sie ein spezielles Interesse oder spezielle Angebote für technologieaffine Künstler?

Silvia: Sie haben mir eine E-Mail geschrieben und ich wollte schon immer mal wieder nach Porto sowie mit den VR Möglichkeiten spielen, also war es die perfekte Ausrede. Nicht wirklich [als Antwort auf die Frage nach der speziellen Ausstattung der Galerie], sie waren nur an meinen Fotografien interessiert, aber ich habe ihnen von der VR erzählt und damit waren sie auch glücklich.

Was möchtest du noch erzählen? Gibt es eine Frage, die du schon immer mal beantworten wolltest, aber nie gefragt wurdest?

Silvia: Ich glaube, ich habe keine großen Fragen mehr. Außer natürlich die Klassiker: Was passierte vor dem Urknall und sowas. Ich will einfach die Zukunft sehen. Und wie sie uns verändern wird, die Art wie wir fühlen, die Art wie wir miteinander kommunizieren. Ich glaube, die Welt ist jetzt schon ein großartiger Ort, um da zu leben, aber ich ahne, dass sie weniger ungerecht und die Perspektive, die wir auf alles haben, tiefer wird.

Vielleicht hast du noch eine finale Aussage über Apple-Produkte für Sir-Apfelot.de?

Silvia: Nur, dass ich glücklich bin, damit zu arbeiten.

Silvia Grav mit iPhone und VR-Brillen
Silvia Grav mit iPhone und VR-Brillen.

Virtuelle Realitäten sind auch in anderen Bereichen denkbar

Wie Silvia mir zudem noch erzählte, so ist für ihre weiteren Bemühungen in den virtuellen Bereichen auch die Zusammenarbeit mit einem Neurowissenschaftler geplant. Und das ist ein weiterer, interessanter Ansatzpunkt. Längst haben nämlich auch die therapeutischen Bereiche der Medizin den Wert von VR erkannt. So lassen sich beispielsweise abstrakte Phobien mit virtuellen Konfrontationstherapien behandeln. Der Vorteil, nicht nur bei Spinnen oder Höhenangst, ist dabei: es kann jederzeit abgebrochen werden.

Über Silvia Grav

Silvia Grav wurde 1993 in Spanien geboren und hat in Madrid angefangen, bildende Künste zu studieren. Noch vor dem zweiten Studienjahr brach sie aber ab. Drei Monate später und Silvia gerade einmal 19 Jahre alt wurde ihre Kunst fast über Nacht so bekannt und vor allem anerkannt, dass sie nun als Vollzeitkünstlerin arbeiten kann. Die Plattform Flickr beispielsweise kürte sie damals zu einer der besten Fotografen und Fotografinnen unter 20 Jahre. Das Resultat: eine Reise in die USA und viele Kontakte. Silvia Grav arbeitete inzwischen schon für viele Firmen wie HBO, Lexus, Ninja Tune, Domestika und mehr.

Internetseite von Silvia Grav: http://www.silviagrav.com/

Facebook Like-Seite von Silvia Grav: https://www.facebook.com/gravphoto/

Kunst von Silvia Grav auf Flickr: https://www.flickr.com/photos/silviabmx/


Über den Verfasser dieses Artikels

Johannes Domke ist ein 1990 geborener, selbstständiger Texter, Übersetzer und Corporate Blogger. Außerdem macht er noch viele andere Sachen, schreibt in noch vielen anderen Bereichen und Textgenres und, und, und. Er kommt eigentlich aus einem kleinen Kaff bei Pirna respektive Dresden und befindet sich derzeit in Madrid. Gemeinsam mit der Künstlerin und einer weiteren Person sowie einem vollgepackten Auto ist Johannes Domke von dort aus nach Porto gefahren und hat sich die beschriebene Ausstellung angesehen, um (nicht ganz exklusiv, aber immerhin) für sir-apfelot.de zu berichten, und natürlich auch, um mal in Portugal gewesen zu sein. Kleine Randnotiz: die für diesen Artikel verwendeten Fotos wurden ebenfalls von Johannes Domke geschaffen.

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